Airbnb und Co.: Warum will Leipzig Ferienwohnungen einschränken?

Weil bezahlbare Wohnungen in Leipzig knapp werden, will die Stadt sie mit einem Zweckentfremdungsverbot zurückholen. Wie funktioniert das – und wie kann das kontrolliert werden?

Für Leipzig-Besucher könnte es bald schwieriger werden, auf Online-Portalen wie Airbnb Ferienunterkünfte direkt vom Gastgeber zu buchen. Denn nach Dresden will nun auch Leipzig angesichts der wachsenden Wohnungsknappheit die touristische Vermietung von Wohnungen regulieren.

Voraussichtlich noch im August liegt dem Stadtrat eine Satzung über das Verbot der sogenannten Zweckentfremdung von Wohnraum zur Abstimmung vor. Das soll nicht nur die touristische Nutzung von Wohnungen einschränken, sondern künftig auch dauerhaften Leerstand verhindern. Nach Angaben des Amtes für Wohnungsbau und Stadterneuerung standen laut dem kürzlich veröffentlichten Zensus 2022 von den 354.898 Wohnungen in Leipzig 19.308 Wohnungen leer, davon 9875 sogar länger als ein Jahr.

„Wir haben uns zum Ziel gesetzt, den in Leipzig vielerorts knappen Wohnraum zu erhalten“, erklärt Baubürgermeister Thomas Dienberg (Grüne). „Die Satzung verhindert einerseits, dass immer mehr Ferienwohnungen entstehen und andererseits, dass Wohnraum alleine zum Zweck der Spekulation unvermietet bleibt.“

Warum Leipzig die strengeren Regeln einführen will, was damit auf die Vermieter zukommt und was die Politik sich von dem Vorgehen erhofft:

Warum schränkt Leipzig die Vermietung von Wohnungen auf Urlaubsplattformen ein?
Es gibt in Leipzig zu wenig bezahlbaren Wohnraum. Denn der Wohnungsbau hat mit dem starken Bevölkerungswachstum – 100.000 Einwohner in den letzten 15 Jahren – nicht Schritt gehalten. So wurden beispielsweise zwischen 2019 und 2022 zwar 10.220 Wohnungen fertiggestellt, allerdings erhöhte sich in dieser Zeit auch die Zahl der Haushalte weiter – und zwar um 14.000. Der Wohnungsengpass, der sich aufgrund der aktuellen Baukrise wohl noch zuspitzen dürfte, löste eine Mietpreisexplosion aus. Beim Sozialamt sind 4631 Haushalte erfasst, die dringend bezahlbaren Wohnraum suchen, mehr als zwei Mal so viele wie im Jahr 2020. Der Leipziger Wohnungsmarkt gilt daher als angespannt.

Sozialwohnungsbau und regulatorische Markteingriffe etwa in Form von Milieuschutzsatzungen oder Mietpreisbremse konnten den Preistrieb bislang nicht stoppen. Nun soll noch das Instrument des Zweckentfremdungsverbots für Wohnraum hinzukommen, für das Sachsen erst in diesem Jahr die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen hatte.

Wie groß ist das Problem mit den privaten Ferienwohnungen?

Ein von der Stadt in Auftrag gegebenes Gutachten aus dem Jahr 2019 hatte nach Angaben des Amtes für Wohnungsbau und Stadterneuerung ergeben, dass in Leipzig rund 600 Wohnungen dauerhaft nicht zur Verfügung stehen, weil sie als Ferienquartier vermietet werden. Die Gutachter gingen davon aus, dass sich diese Zahl jährlich um weitere 500 Wohnungen erhöht. Dieser Eindruck bestätigt sich bei „Beobachtung der Angebote auf einschlägigen Portalen für Ferienwohnungen“, heißt es dazu nun im Wohnungsbauamt. Viele Städtetouristen buchen als Alternative zu teuren Hotels gern kleine Ferienwohnungen. Diese auf Urlaubportalen anzubieten, ist ertragreicher, als sie dauerhaft regulär zu vermieten. Laut Gutachten wurden durchschnittlich 64,60 Euro für eine Übernachtung gezahlt.

Was genau regelt das Zweckentfremdungsverbot?

Eine dauerhafte Vermarktung von Wohnungen auf Urlaubsportalen ist ohne eine Zustimmung durch die Stadt künftig nicht mehr gestattet. Legal dürfen Inhaber oder Mieter sie dann nur noch für maximal zwölf Wochen pro Jahr, beispielsweise bei Urlaubsabwesenheiten, an Touristen vermieten. Eine Wohnung nur zum Zwecke der Ferienvermietung vorzuhalten oder leerstehen zu lassen, ist dann nicht mehr möglich. Ausgenommen vom Zweckentfremdungsverbot sind allerdings Wohnungen, die etwa als Büro oder Praxis errichtet wurden und auch so genutzt werden oder für die von der Stadt eine Genehmigung als Ferienwohnung vorliegt. Außerdem dürfen Eigentümer eine Wohnung künftig nicht mehr länger als zwölf Monate leerstehen lassen, was Spekulationsabsichten einschränkt. Die Regelungen gelten für das gesamte Stadtgebiet, nicht nur in den besonders unter Druck stehenden zentrumsnahen Ortsteilen.

Wie viele Wohnungen werden für den regulären Wohnungsmarkt wieder frei?

Das kann momentan im Rathaus niemand mit Sicherheit sagen. Zunächst dürfte die Satzung nur verhindern, dass weitere neue, ungenehmigte Ferienwohnungen auf den Markt kommen. An den rund 2500 bestehenden Ferienquartieren wird sich aber vorerst nichts ändern. Sie können auch nach Inkrafttreten der Satzung übergangsweise noch bis zu zwei Jahre genutzt werden, sofern dies der Stadt binnen drei Monaten angezeigt wird. Spätestens nach Ablauf dieses Übergangszeitraums würde dann aber „allen nicht genehmigten und nicht genehmigungsfähigen, zweckentfremdeten Wohnungen ein Wohnnutzungsgebot ausgesprochen“, teilt das Wohnungsbauamt auf LVZ-Anfrage mit.

Die Vermieter sind jedenfalls schon heute alarmiert. Seit Verabschiedung des sächsischen Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum hat das Amt für Bauordnung und Denkmalpflege nach eigenen Aussagen einen „erheblichen Anstieg von Bauanträgen zur Umwidmung von Wohnraum in Ferienwohnungen“ festgestellt. Für jede Genehmigung ist eine Einzelfallprüfung nötig.

Wie wird die Einhaltung der Regelungen überwacht, und werden Verstöße bestraft?

Die Stadt hat das Recht, Auskünfte und Unterlagen anzufordern, um die Einhaltung der Satzung zu überprüfen. Bei Verstößen kann die Kommune anordnen, den Wohnraum wieder für Wohnzwecke zu nutzen. Die Missachtung des Zweckentfremdungsverbots kann mit Geldbußen von bis zu 100.000 Euro geahndet werden. Im Amt für Wohnungsbau und Stadterneuerung wurden bereits zwei Stellen für die Aufgaben der Zweckentfremdungsverbote/Modernisierungs- und Instandsetzungsgebote eingerichtet. Andere Städte haben sich personell deutlich stärker aufgestellt. Die Berliner Bezirke Pankow und Friedrichshain-Kreuzberg setzen sechs beziehungsweise acht Stellen ein, Köln 12,5 und München 29 Stellen. In Berlin werden so pro Jahr etwa 1000 Wohnungen, in München 260 und in Köln 125 Wohnungen „zurückgeholt“.

Was sagen Politik und Anbieter von Ferienwohnungen?

„Die Satzung zur Zweckentfremdung von Wohnraum basiert auf einer Initiative der SPD-Fraktion, die wir bereits vor mittlerweile sechs Jahren gestartet hatten“, sagt deren Geschäftsführer Falk-Thoralf Günther und zeigt sich mit dem Ergebnis zufrieden: „Gerade mit Blick auf die hohe Zahl an leerstehenden Wohnungen erwarten wir positive Effekte für den Leipziger Wohnungsmarkt, weil dadurch das Angebot an Wohnraum steigen wird.“ Inwiefern sich das Zweckentfremdungsverbot auf die Tourismuswirtschaft auswirkt, werde sich zeigen. „Für uns hat die Versorgung der Einwohnerinnen und Einwohner mit Wohnraum an dieser Stelle eine deutlich höhere Priorität“, stellt Günther klar.

Negative Auswirkungen auf den Tourismus befürchtet Grünen-Fraktionsvorsitzender Tobias Peter nicht, weil die Hotels die meiste Zeit des Jahres sowieso nicht ausgelastet sind und sie eher mit den Ferienwohnungen konkurrieren. Die Satzung sieht er als „einen Baustein unter vielen“, um die Lage auf dem Wohnungsmarkt zu entspannen. „Sie bewegt sich im Rahmen dessen, was der Gesetzgeber uns vorgegeben hat.“ Ein digitales Tool, über das Bürgerinnen und Bürger die Stadt über zweckentfremdeten Wohnraum informieren, könnte aus seiner Sicht die Kommune bei der Umsetzung des Verbots unterstützen.

Demgegenüber verspricht sich Linken-Stadtrat Mathias Weber von dem Regelwerk nicht viel. „Es ist ein relativ stumpfes Schwert“, befindet er. Und das liege schon am Landesgesetz. „Wir gehen davon aus, dass auf dieser Grundlage nur wenige Wohnungen dem Markt zugeführt werden können. Die bisher im Raum stehenden rund 2500 zweckentfremdeten Wohnungen können so keinesfalls erreicht werden.“

Die Vermittlungsplattform Airbnb kündigt an, alle Gastgeberinnen und Gastgeber, die ihr Zuhause teilen, über die künftigen Regelungen zu informieren. „Airbnb möchte ein guter Partner für Sachsen und die Stadt Leipzig sein“, bekräftigt eine Sprecherin,. „Wir nehmen den Schutz von Wohnraum sehr ernst und möchten das Land Sachsen und die Städte dort dabei unterstützen.”